Schule in der Kaiserzeit

„Hal-tung an-neh-men! Die Jungen zu-erst! Folgt – mir!“, tönt es durch den Klassenraum, als der strenge Lehrer, den Rohrstock in der Hand, „seine“ Klasse zu den Schulbänken führt. Nach dem Kommando „Setzt - Euch!“, rutschen die Jungen mit ihren gegelten Seitenscheiteln und Hosenträgern sowie die Mädchen in ihren Kittelkleidern und mit geflochtenen Zöpfen fast lautlos in ihre Bankreihen, legen die Hände gefaltet auf die Tische und richten ihre Blicke furchtsam auf ihren Lehrer: „Wir beginnen mit dem Morgengebet. Sprecht mir nach!“

Davon, dass so oder so ähnlich eine Unterrichtsstunde vor 150 Jahren, also zur Zeit unseres „allseits geliebten und verehrten Herrn Kaisers“ begann, konnten sich die 23 diesjährigen Teilnehmer des von Frau Kellermann und Frau Findeisen geleiteten Projektes „Schule zur Kaiserzeit“ bereits vor einem Jahr beim Besuch des Hamburger Schulmuseums ein Bild machen. Denn dort besuchten sie nicht nur eine Ausstellung zu diesem Thema, sondern konnten im Rahmen einer
Unterrichtsstunde am eigenen Leib erfahren, mit welch einer unerbittlichen Strenge damals Lernstoff vermittelt wurde.

Die gesammelten Erfahrungen dieser Exkursion ließen die zwei „Klassen“ der aus 22 Schülerinnen und Schülern der jetzigen Quinten und Quarten bestehenden Projektgruppe am Mittwoch­vormittag bei den Proben zu ihren jeweiligen Unterrichtsstunden einfließen; geleitet von der gestrengen und zu Wutausbrüchen neigenden Lehrerin Anna Vaqué bzw. von dem furchteinflößenden, ständig den Rohrstock schwingenden Lehrer Mika Johannßen.

Während die anderen probten, kümmerte sich das dreiköpfige Deko- und PR-Team um die Einrichtung und Dekoration des historischen Klassenzimmers sowie um die Erstellung von Werbeflyern und -plakaten. Hierzu wurden die eigens vom Schuldachboden geschleppten, von fleißigen Quintanern zuvor geschrubbten und geölten alten Schulbänke aufgestellt, über 100 Jahre alte Weltkarten aufgehängt, die Wände mit den im Jahr zuvor anlässlich des Schulmuseumsbesuches entstandenen Fotos und Plakaten dekoriert, alte Liedtexte, Fleißkarten und Gebete ausgelegt sowie ein Kohleofen für das Klassenzimmer gebastelt

Am Donnerstagvormittag erfolgte dann der letzte Feinschliff. Beide Gruppen spielten sich gegenseitig ihre Unterrichtsstunden noch einmal vor und gaben sich gegenseitig ein Feedback: So sollte z.B. beim „Kaiserlied“ unbedingt aufgestanden werden, das Austeilen und Einsammeln der Schiefertafeln dauere zu lang, es werde zu viel gegrinst und gelacht, die Hygienebefragung bezüglich der „Schmarotzer“ und die Taschentuchkontrolle würden fehlen etc.

All diese Anregungen wurden in den nachfolgenden Generalproben derart gelungen umgesetzt, dass alle relativ entspannt den vier nachmittäglichen Aufführungen im Rahmen des Schulfestes entgegensahen. Zu Recht, wie sich später herausstellen sollte.
Denn der Andrang war bereits bei der ersten Vorstellung so groß, dass viele Zuschauer auf die nächsten Termine vertröstet und mehrere Zusatzvorstellungen gegeben werden mussten. Am Ende einer jeden Vorstellung hörte man aus dem historischen Klassenzimmer tosenden Applaus und den Zuschauern, die nach der Vorstellung den Raum verließen, stand stets ein und derselbe Gedanke ins Gesicht geschrieben: „Gut, dass wir nicht zur Kaiserzeit in die Schule gehen mussten!“

Liebe Projektteilnehmer/innen: „Setzt – Euch! Eins!“

Fi