Die Stör und der Stör

Mit einem spannenden und sehr infor­mativen Vor­trag er­läuterte Herr Lützen den Sinn und Zweck, aber auch die  Schwie­rig­kei­ten der Re­natu­rierungs­maß­nahmen des Stör­ab­schnitts von Arps­dorf bis Willen­scharen. Er betonte, dass der Eu­ro­päische Stör als Zeiger­art für ein arten­reiches Öko­system stehen kön­ne, wenn Fluss­verlauf und Ge­wässer­qualität stim­men. Dazu hat­ten die Schüler von Herrn Geßner, der den Besatz mit Stören in Deutsch­land wis­sen­schaft­lich be­glei­tet, Infor­mationen er­halten. Ein kurzer ge­schicht­licher Abriss zeigte, wie der Mensch die Stör und damit ver­bunden die Bio­diver­sität des Fließ­ge­wässers verändert hat.

Die Was­ser­qualität unter­suchten die Schüler vor Ort und er­fragten die An­sprüche, die der Euro­päische Stör an die Was­ser­qualität und den Lebens­raum stellt. Auf dem re­natu­rierten Ab­schnitt der Stör von Arps­dorf nach Willen­scharen re­gistrier­ten die Schüler vom Kanu aus die Mäander, die im Ufer­be­reich einer Viel­falt von Pflanzen und Tieren Lebens­raum bieten. Laich­strecken für den Stör sind durch den Strö­mungs­ver­lauf vor­handen. Kann der Euro­päische Stör also in der Stör hei­misch werden?

Noch scheint die Gewässer­qualität ein wich­tiger Punkt zu sein. Er­schreckend war des­halb der Plastik­müll, der auf dieser Strecke am Ufer zu fin­den war. Eine Zeiger­art wie der Euro­päische Stör kann nur hei­misch werden, wenn der Lebens­raum „sauber“ ist.

11 gb

Ein warmer Sommertag

Ein warmer Spätfrühlingstag. Und schon den ganzen Morgen sind die Schüler der 11gb ausgesprochen unruhig. Doch ihre Aufregung und Vorfreude ist begründet: Heute soll es auf eine Exkursion an die Stör gehen!

Nach der fünften Stunde begeben sich alle auf die halbstündige Fahrt nach Arpsdorf. Die Autos trudeln nach und nach ein (obwohl Herr Richter sich verfahren hat, ist er mit seinen Mitfahrern als Zweiter da) und nachdem alle sich vorbereitet haben, die letzten Hosen umgezogen, der letzte Klecks Sonnencreme aufgetragen ist, sammeln wir uns bei der kleinen Störbrücke.

Frau Behrendt-Herkenrath und Frau Richter-Harder haben allerhand Equipment mitgebracht, mit dem das Gewässer untersucht werden kann, sowohl die Lebewesen als auch die abiotischen Faktoren, die verantwortlich für die Besiedelung des Gewässers sind. Den Schwerpunkt des Ausfluges bildet nämlich die Frage, ob es sinnvoll ist, den Europäischen Stör (Acipenser sturio) wieder in Europa einzubürgern, auch in den Fluss Stör.

Lebewesen sind reichlich zu erkennen, aber welche sind es genau? Mit großen Keschern fangen einige Schüler zunächst das, was so in der Luft herumfliegt, Libellen. Es schwirren dutzende Gebänderte Prachtlibellen herum, die wunderschön anzusehen sind. Auch vereinzelte Große Eintagsfliegen sind zu erkennen. Bald schon steigen einige Schüler in den Fluss, um Vorbeitreibendes aus der Flussmitte mit Keschern einzufangen, während andere sich mit der Fauna des Ufers beschäftigen. Nach einiger Zeit stellen wir uns gegenseitig vor, was wir eingesammelt haben. Neben den oben genannten Arten wurden auch die angestoßen Häute von Libellenlarven, schwimmende Eintagsfliegenlarven, verschiedene Käfer und andere Insekten sowie eine Pflanze, die (Kanadische?) Wasserpest, vorgestellt.

Danach beginnen wir, die Wasserqualität chemisch zu prüfen, wie wir es bereits im Unterricht geübt hatten. Der Nitritgehalt liegt bei 0,3 - 0,5, der Nitratgehalt bei 0-10, der Ammoniumgehalt bei etwa 0,15 und der Phosphatgehalt bei 1,5. Der pH-Wert beträgt 7,5 und die Gesamthärte 15°dH.

Diese Ergebnisse lassen auf eine Eutrophierung der oberen Stör schließen, was wahrscheinlich daher kommt, dass der Dünger der an die Stör grenzenden Felder in sie hinein gelangt. Den Wasserpflanzen und vor allem kleinsten Algen gefällt dies zwar, jedoch kommt es durch diese Überdüngung zu einem exponentiellen Wachstum ihrer Population. Dadurch werden zunächst die Mineralstoffe für andere Wasserpflanzen knapp, wenn die Algen absterben, werden anaerobe Abbauprozesse in Gang gesetzt, was zu einem Sauerstoffentzug führt, der für die Tiere im Wasser tödlich ist. Dies kann im schlimmsten Fall eintreten.

Während wir unsere Ergebnisse zusammentragen, trifft schon der nächste Programmpunkt ein: Herr Lützen, der von der „Gesellschaft zur Rettung des Störs“ ist und als Freiwilliger informative Vorträge gibt und an diesem Tag auch zu uns ans rechte Störufer kommt. Auch Frau Naudiet, die die Klasse eingeladen hatte mitzukommen, kommt an.

In der ersten Hälfte des Vortrags wird uns etwas über die Entwicklung der Stör und ihre Veränderung durch Menschenhand erzählt. Früher wurden auf ihr sehr viele Waren transportiert, sogar bis nach Neumünster, was aufgrund der (heute) geringen Wassertiefe erstaunlich scheint. Die Stör wurde außerdem sehr stark begradigt und verlief lange Zeit über Kilometer hinweg in gerader Linie, weil es durch die mäandrierende Gestalt des Flusses Probleme beim Bootsfahren gab. Dies führte jedoch dazu, dass sich die Fließgeschwindigkeit des Wassers stark erhöhte. Denn obwohl Schleswig-Holstein ein relativ flaches Land ist, fließt das Wasser doch über eine gewisses Gefälle bis zur Elbe hinab (übrigens nur, weil die Bekau die Stör dorthin abgelenkt hat). Durch die Begradigung wurde die Strecke, die sie eigentlich zurücklegt, stark verkürzt und das Gefälle proportional größer. Damit das Wasser aber wieder seine ursprüngliche Zeit von der Quelle bis zur Mündung braucht, haben sich sogenannte Sohlschwellen oder Sohlanstürze gebildet. Das sind plötzliche, mehrere Meter tiefe Abstürze des Flussbettes, hinter denen sich ein tiefer Teich bildet. Die Absturzkanten erheben sich senkrecht im Wasser, weshalb die Überwindung für die meisten Fische ein großes Problem darstellt, auch für den Stör, der ein diadromer Wanderfisch ist, sich also ähnlich wie der Aal verhält. Von diesen Sohlabstürzen bildeten sich insgesamt dreizehn entlang der Stör.

Ein weiteres Problem, dass mit den Menschen und ihrem Handel Einzug an der Stör hielt, war die Gerbereitätigkeit. Zum Gerben von Fellen, die damals in großen Mengen per Schiff aus Nordamerika eingeführt wurden, wurde Eichenlohe genutzt. Zusammen mit den verfaulten Fleischüberresten, die noch an den Tierhäuten hingen, wurde diese als Abwasser in die Stör geleitet. Dies führte natürlich zu einer starken Verschmutzung des Gewässers, in dem keine Lebewesen überleben konnten. Außerdem wurde die Stör wärmer und damit sauerstoffärmer, da die schattenspendenden Eichen an den Ufern hierfür gefällt wurden.

Es wurden jedoch Renaturierungsmaßnahmen eingeführt, um den Fluss wieder zu seinen ursprünglichen Kurven zu führen. Hierfür wurden beispielsweise Baumstämme ins Wasser gelegt, die den halben Fluss versperren, wodurch wieder unregelmäßige Strömungen entstehen. Das führt dazu, dass sich das Wasser geradezu in das Ufer mit der schnelleren Strömung  frisst, während sich auf der anderen Seite Sedimente ablagern können. Dadurch entstehen wieder Kurven.

Nach einer kurzen Pause, in der der nächste Programmpunkt der Exkursion von seinem Hänger abgeladen wird, fährt Herr Lützen damit fort, uns den Europäischen Stör und seine Geschichte in der Stör näherzubringen. Zuvor hatten wir seine Lebensweise im Unterricht behandelt. Als diadromer Wanderfisch macht er sich nach dem Schlüpfen aus seinem in einem Kiesbett, von dem Herr Lützen ein Modell mitgebracht hat, festgeklebten Ei auf Futtersuche (kleine Insekten/-larven und Krebschen) und wandert schon bald darauf immer weiter den Fluss hinab, in Richtung Meer. Im Salzwasser lebt er, bis er nach zehn bis zwanzig Jahren geschlechtsreif wird und sich auf den Rückweg zu seinem Geburtsort macht, um dort seine eigenen Eier abzulegen. Im Gegensatz zum Lachs überlebt er dies jedoch und wandert zurück ins Meer. Diesen Vorgang wiederholt er noch viele Male in seinem Leben.

Früher war der Europäische Stör hier heimisch. Doch aufgrund der bereits erwähnten Veränderung der Stör durch den Menschen, aber ebenso dadurch, dass er als Proteinquelle zur menschlichen Ernährung gefangen wurde, wenn er zum Ablaichen kam, wurde sein Bestand so stark dezimiert, dass er hier ausstarb. Die letzten Vertreter seiner Art überlebten in einem einzigen Fluss in Frankreich.

Um ihn wieder in die Natur einzuführen, wurde ein Zuchtprogramm gestartet, das aufgrund der wählerischen Ernährung und der Salzintoleranz der Störeier, die nicht einmal einen Salzgehalt von 0,01% verkraften, sehr schwierig ist.

Er gilt wegen seines Bedarfs an Wasserreinheit jedoch als Indikatorfisch. Wenn er wieder da ist, ist das Wasser sauber und auch viele andere Arten werden zurückkehren und somit die Biodiversität der Stör erweitern. Ein kleiner Schritt in diese Richtung ist, dass das Meerneunauge wieder in der Stör gesichtet wurde, wie uns Herr Lützen erzählt.

Er zeigt uns dann einen fünf Meter langen Teppich. Dieser hat die Form eines Störs und stellt die maximale Größe dar, die diese Art erreichen kann. Dabei kommt die Frage auf, ob denn so ein Riese noch Eier legt, weil er hier oben, wo wir gerade sitzen und wo Störe das eigentlich tun doch gar nicht genug Platz zum Wenden ist. Herr Lützen meint, dass er sich „eine Kuhle vor der Wilster Au suchen“. Gut, dass wir das geklärt hätten!

Während des Vortrags sind einige Schüler unruhig geworden, weil es zu tröpfeln begonnen hat. Doch glücklicherweise hat das jetzt wieder aufgehört und die geplante Kanutour kann im Trockenen stattfinden. Auch Frau Lipp, die mit Schülern Wassersport betreiben darf, ist inzwischen eingetroffen. Wir fangen also an, unsere Sachen einzusammeln, vielleicht noch eine letzte Frage zu stellen. Nach einer kurzen Einführung durch Frau Lipp werden die ersten Boote zu Wasser gelassen und wir lassen uns in unseren Dreierteams von der nicht geringen Strömung treiben und paddeln bald darauf los.

Hierbei können wir die Probleme eines mäandrierenden Flusses leicht erkennen. Es scheint auch nicht einfach zu sein, immer an den tiefen Stellen zu bleiben. Manche steigen nach einem Aufgrundlaufen kurzerhand aus, „um neues Gebiet zu erobern“ oder einfach, um das Boot wieder in die tieferen Wasser zu schieben. Wieder umschwirren uns die Gebänderten Prachtlibellen, leider auch ein paar Bremen und anderes Stechgetier! Die steilen, mit unzähligen Pflanzenarten bewachsenen Ufer erheben sich links und rechts von uns, merkwürdigerweise kommen sie manchmal ganz nah, sodass das Boot sie berührt, oder es erheben sich plötzlich die zur Renaturierungszwecken im Wasser liegenden Baumstämme vor der Bootsnase... Unterwegs treffen wir aber auch auf andere Tiere, zum Beispiel Kühe, die sich Mal eben eine Abkühlung genehmigen, die Lehrer schwärmen später sogar von Bisamratten(?). Die Vögel zwitschern und in der Ferne ist ein Kuckuck zu hören. Es regnet zwar nicht, doch die Wolken sind noch da und sorgen für angenehme Paddeltemperaturen. Der Duft der Pflanzen dringt in unsere Nasen, manchen Schülern wird dies jedoch zum Verhängnis, weil sie eine Pollenallergie haben.

Viel zu früh und doch gerade so, dass die meisten nicht mehr weiter können, kommen die ersten in Willenscharen an. Es sind die Boote, die Vereinspaddler als Steuerer haben, somit sind alle trocken und das Herausholen der Boote läuft reibungslos ab. Auch der Mann vom Bootsverleih ist schon da und wartet darauf, seine Kanadier wieder aufzuladen. Dann kommen schon die nächsten an. Manche sind irgendwie ganz nass, und als wäre das nicht genug, schmeißen sie sich vor lauter Übermut noch gegenseitig in die Stör. Zum Schluss treffen die Lehrer ein.

Nachdem alle Boote wieder aufgeladen sind und ein paar stärkende Happen genommen sind (die Jungs haben sich sogar einen Einweggrill mitgenommen und grillen, wobei Frau Richter-Harder sich darüber aufregt, dass sie als Chemielehrerin den Jungs das Feuermachen erklären muss), ist der Shuttleservice, die Mutter einer Schülerin, da, und nimmt die Autofahrer wieder mit nach Arpsdorf, damit die Autos nachgeholt werden können. Es gibt jedoch nicht genug Sitzplätze, darum steigt Herr Richter kurzentschlossen in den Kofferraum ein. Was für ein Anblick!

Gut gelaunt, aber auch ein wenig müde verabschieden sich die ersten und nachdem auch die letzte Autofahrerin eingetroffen ist, wegen der wir etwas unruhig geworden sind, trennen sich alle voneinander und fahren nach Hause.

Jolina Kröger, 11gb

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