Scherben­park

Kraftausdrücke mit russischem Akzent und Mord­gedanken erfül­len das Studio des Theater Itzehoe, während der an­gehende Abitur­jahr­gang auf­merksam lauscht. Die Ins­zenierung über die Russ­land­deutsche Alexandra („Sascha“) Naimann ist für die Deutsch-Prüfung wichtig.

Adoleszenz, der Übergang zwischen Jugend und Erwachsen-­Sein in den ver­schiedenen Jahr­hunderten mit persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Konflikten ist eines der vier Zentral­abitur-­Themen in Deutsch. Der moderne Roman „Scherbenpark“ von Alina Bronsky, den das Mecklen­burgischen Landes­theater Parchim mit Schauspielerin Anne Ebel inszenierte, ist aufgrund seiner aktuellen Thematik und der modernen Konflikte für das Abitur ausgewählt.

Es ist der Konflikt zwischen Sascha aus dem Vorstadt-­Ghetto, deren Mutter von ihrem Stief­vater ermordet wurde und die als einzige aus dem Viertel den Weg hinaus geschafft hat. Sie ging auf ein Elite-­Gymnasium, kann fließend Deutsch sprechen und findet sich in Deutschland zurecht, ganz im Gegen­satz zu den anderen Russland­deutschen. Es ist die Geschichte der Migration nach Deutschland, die Geschichte der Hoffnung auf ein besseres Leben und die Geschichte eines jungen Mädchens, das nach zehn Jahren immer noch schwer traumatisiert ist und trotzdem erwachsen werden muss. Zusätzlich dazu ist es bei Sascha auch ein schmaler Grat zwischen dem altklugen und hochbegabten und dem sympathisch-­verzweifelten Mädchen, das ständig in sich und in der Gesellschaft schwankt.

Diese schwierige Rolle konnte Anne Ebel für die angehenden Abiturienten aber ebenso souverän darstellen wie die zahlreichen anderen Personen. Mal mit russischem Akzent, mal mit männlich klingender, mal mit kindisch klingender Stimme - für die Zuschauer wurden alle Rollen deutlich.

Den Kernpunkt der Inszenierung konnten die Zwölft­klässler schon vor der Frage­runde leicht ver­stehen: Sascha soll nicht nur das russische Mädchen mit den Mordgelüsten sein, sondern ist im Innersten auch sympathisch und vor allem eben auch nur ein normales Mädchen.
Weil dieser Schwerpunkt in der Buchvor­lage genau umge­kehrt gesetzt ist, werden im Unterricht nun die Unterschiede herausgearbeitet. Anne Ebel hat als Sascha über die Kleidung gut veranschaulicht die Augen der Schüler dafür geöffnet, denn Sascha kann beides: Im knall­pinken Top mit russischem Akzent Schimpf­wörter schreien und in hell­blauer Bluse das menschliche Gehirn erklären.

Carolin Johannsen

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